Wie trainiere ich für die Selbstverteidigung?

Die Frage mag abwegig erscheinen - in einem Kampfsport-Blog. Dreht es sich denn nicht bei jedem Kampfsportstil um Selbstverteidigung? Doch ganz so einfach ist es nicht.

Im Kampfsport-Training erlernt man, nüchtern formuliert, Fähigkeiten im Umgang mit Gewalt. Doch nicht jede Technik lässt sich auf der Straße so umsetzen, wie sie in der Turnhalle geübt wurde. Nicht alle Erfahrungen aus dem Training bringen automatisch einen taktischen Vorteil in einer realen Notwehrsituation. Das liegt zum Beispiel daran, dass sich echte Gegner anders verhalten als Trainingspartner. Denn ein Mittrainierender im Dojo möchte sein Gegenüber nicht wirklich verletzen, daher geht er vorsichtig vor. Außerdem steht der Verteidiger in einer echten Gefahrensituation unter einem enormen psychologischen Druck, den er aus dem Training nicht unbedingt kennt.

An Grenzen gehen

Deshalb hat es durchaus Vorteile, im Training hin und wieder an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu gehen. Das heißt zum Beispiel, Angriffe mit größerer Wucht oder in schneller Folge auszuführen. Oder den Verteidiger mit mehreren Angreifern zu konfrontieren. Natürlich muss das in einem sicheren Rahmen und mit der jeweils nötigen Schutzausrüstung geschehen.

Training unter erschwerten Bedingungen kann mental abhärten. Denn wer unangenehme Erfahrungen vermeidet, verlässt nie die gewohnte Komfortzone. Das kann sich in einer echten Notwehrsituation schnell rächen. Denn dann kann man nicht plötzlich sagen: „Stopp!“ Es macht auch einen großen Unterschied, ob der Trainingspartner alle Techniken zulässt oder ab und an Widerstand leistet. Die Übungen werden dadurch anstrengender, letztlich auch etwas chaotischer.

Aber so kann man lernen, wann eine Methode wirklich funktioniert und wann nicht. Im Selbstverteidigungs-Training gibt es immer einen gewissen Widerspruch: Man möchte den Partner selbstverständlich nicht verletzen. Dennoch wäre in der realen Situation womöglich genau das notwendig. Man muss - anders ausgedrückt - stoppen, obwohl man in der Realität “durchziehen” müsste. Das Problem lässt sich nicht wirklich lösen, wenn man sicher trainieren möchte. Aber etwas Widerstand im Training kann als Realitätscheck fungieren.

Scheitern, aber nicht aufgeben

Wer Belastungsgrenzen austestet, wird um eine Erfahrung nicht herumkommen: Manchmal schafft man es einfach nicht. Die Technik sitzt nicht, die Muskeln versagen, der Wille lässt nach. Die Gegner sind zu stark, zu schnell oder zu viele. Das ist unangenehm, vielleicht sogar etwas demütigend. Doch in einem gewissen Sinne kann so ein Erlebnis hilfreich sein. Denn es erinnert den Trainierenden daran, dass Gewalt kein Spiel ist. Und am Ende motiviert das Gefühl des Versagens sogar dazu, in Zukunft auf Effektivität zu achten. Es bewahrt auch vor Selbstüberschätzung. Die gibt es – Hand aufs Herz – im Kampfsportbereich nicht gerade selten.

Es gibt dabei aber auch ein Problem: Zu starker Stress kann uns ineffektiver oder sogar gänzlich handlungsunfähig machen. Gefordert zu werden ist gut, aber Überforderung schadet. Deshalb sollte man nichts überstürzen. Das gilt vor allem bei Anfängern. Aber auch bei Fortgeschrittenen, die bisher nie mit dem Faktor Stress trainiert haben. Sinnvoll ist es hingegen, die Intensität langsam und individuell angepasst zu steigern. So können sich Körper und Geist an die neue Form der Belastung gewöhnen.

Kann man auch zu hart trainieren?

Viele kennen es aus dem Krafttraining: Um einen Muskel aufzubauen, geht man über dessen Belastungsgrenze hinaus – allerdings nur leicht. Denn wenn die Belastung zu stark wird, dann führt das zwangsläufig zu Verletzungen. Ähnlich ist es beim Training mit Härte und Stress. Hält der Schüler die Belastung nicht aus, weil sie weit über dem liegt, was er gewohnt ist, kann er davon nicht profitieren. Im Gegenteil, ein zu hartes Training schreckt Neulinge ab.

Wenn ein Sportverein nur auf knüppelhartes Sparring oder brutale Szenarios setzt, dann wird er einen bestimmten Typ Schüler anziehen. Das sind Schläger, die das Training eigentlich am wenigsten nötig hätten.

Viele Techniken lassen sich außerdem gar nicht mit voller Härte trainieren. Denn sie müssen zunächst mit geringer Intensität geübt werden, bis sie sitzen. Manche Bewegungsabläufe lassen sich nur mit einem kooperativen Partner und zahllosen Wiederholungen erlernen. Es ist dann aber trotzdem notwendig, die Intensität ab einem bestimmten Punkt langsam zu erhöhen. Unter dem Strich muss das Maß stimmen. Und der Trainer muss das Level der individuellen Belastung im Auge behalten.

Foto: Adobe Stock


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